Kurzfassung

Der Satz „Ich bin nicht gut genug“ begegnet mir in der Praxis fast täglich – und oft ist er der rote Faden hinter Erschöpfung, Selbstkritik, Beziehungskonflikten oder Perfektionismus. Statt Symptome zu behandeln, lohnt es sich, die Wurzel zu verstehen: Woher kommt dieses Gefühl – und was braucht es, damit es sich wandeln kann?

Ein alltäglicher Satz – mit tiefer Wirkung

„Ich müsste anders sein.“
„Andere kriegen das besser hin.“
„Ich bin irgendwie zu viel – oder zu wenig.“

Viele Menschen, die ich begleite, sprechen nicht sofort von einem „Ich bin nicht gut genug“-Gefühl. Und doch schwingt es fast immer mit – manchmal leise im Hintergrund, manchmal laut und bestimmend. Es taucht in Momenten der Schwäche auf, in Vergleichen mit anderen oder als stiller innerer Druck, „es richtig machen“ zu müssen.

Der Psychologe Steven C. Hayes beschreibt diesen inneren Satz als universales menschliches Thema – nicht als individuelles Problem. Und genau das macht ihn so relevant:
Es geht hier nicht um Schwäche.
Sondern um etwas zutiefst Menschliches.

Wie früh es beginnt

Hayes beschreibt in einem Vortrag ein eindrückliches Bild: Er fragt Menschen, wie alt sie waren, als sie sich zum ersten Mal „nicht genug“ gefühlt haben. Die meisten nicken bei einer Körpergröße, die auf drei- bis sechsjährige Kinder hinweist.

Tatsächlich lernen wir schon früh, uns selbst zu vergleichen:

  • Zuerst mit anderen Kindern
  • Dann mit äusseren Anforderungen
  • Später mit einem Idealbild, das nie ganz erreicht wird

Hinzu kommen alte Botschaften – ausgesprochen oder unausgesprochen:
„Reiss dich zusammen.“
„Das schafft deine Schwester auch.“
„Stell dich nicht so an.“

Was wir daraus machen, ist meist kein bewusster Entschluss. Es ist ein stiller, sich einbrennender Schluss: So wie ich bin, bin ich nicht in Ordnung. Und dieser Gedanke begleitet uns oft über Jahrzehnte.

Was dieser Glaubenssatz mit uns macht

Wenn wir uns innerlich für „nicht gut genug“ halten, wirkt sich das auf vielfältige Weise aus. Zum Beispiel:

  • Wir vermeiden Nähe – aus Angst, entlarvt zu werden.
  • Wir strengen uns übermässig an – in der Hoffnung, es doch noch zu schaffen.
  • Wir zerdenken alles – um Fehler zu vermeiden.
  • Wir fühlen uns entweder überfordert oder nicht gesehen – oder beides gleichzeitig.

Viele bauen sich ein ganzes Leben um diese Überzeugung herum. Ein scheinbar erfolgreiches Leben – aber innerlich begleitet von Selbstzweifeln, Erschöpfung und ständiger Anspannung.

Warum reine Selbstoptimierung nicht hilft

Was in unserer Leistungsgesellschaft oft übersehen wird:
Der innere Satz „Ich bin nicht gut genug“ verschwindet nicht durch mehr Leistung oder mehr Selbstdisziplin.

Im Gegenteil – je mehr wir uns optimieren wollen, desto fester verankert sich die Idee, dass wir so, wie wir sind, eben nicht reichen.

  • Was es stattdessen braucht, ist etwas ganz anderes:
    Verstehen, woher dieser Satz kommt
  • Kontakt zu dem Teil in uns, der ihn verinnerlicht hat
  • Einen mitfühlenden Blick auf unsere Geschichte

Hayes beschreibt z. B. das innere Kind als einen Zugang: sich selbst in jüngeren Jahren zu begegnen, nicht mit Kritik – sondern mit Fürsorge. Was dieses Kind oft gebraucht hätte, war kein Ratschlag. Sondern ein sicherer Ort, eine offene Frage, ein „Ich sehe dich“.

Take-Aways:

  • Der Satz „Ich bin nicht gut genug“ ist keine Schwäche, sondern Teil unseres menschlichen Erlebens.
  • Er entsteht früh – oft im Kindesalter – und wird durch Sprache, Vergleiche und Erfahrungen verstärkt.
  • Viele Menschen gestalten ihr Leben (unbewusst) um diesen Glaubenssatz herum – mit grossen Kosten.
  • Veränderung ist möglich, wenn wir an die Wurzel gehen – mit Mitgefühl statt Selbstoptimierung.
  • Eine fundierte, strukturierte Begleitung kann dabei helfen, sich selbst auf neue Weise zu begegnen.

Wenn du dich hier wiedererkennst

Vielleicht möchtest du dir selbst ein paar Fragen stellen:

  • Wann hast du zum ersten Mal gespürt, dass du „nicht gut genug“ bist?
  • Wie gehst du heute mit diesem Gedanken um?
  • Was würde sich verändern, wenn du nicht mehr dagegen ankämpfen müsstest?
Daniela Blaser

Neugierig geworden? Ich begleite dich gern.

Wenn du neugierig bist, was eine psychologisch fundierte Begleitung in diesem Prozess ermöglichen kann – ob in Bern oder online – dann kannst du gerne ein unverbindliches Kennenlerngespräch mit mir vereinbaren.