Kurzfassung

Tinnitus kann das Gefühl völliger Ohnmacht auslösen. Neuropsychologisch gesehen aktiviert das Ohrgeräusch oft den Alarmmodus – doch dieser lässt sich gezielt beruhigen. Durch systemische Tinnitus-Therapie, bewusste Entspannung und das Stärken deiner Selbstwirksamkeit gewinnst du Schritt für Schritt Kontrolle, Ruhe und Lebensqualität zurück.

„Ich habe das Gefühl, meinem Tinnitus völlig ausgeliefert zu sein – ich habe keine Kontrolle mehr.“

Falls du diesen Gedanken kennst: du bist damit nicht allein. Viele Menschen, die mit Tinnitus leben, schildern genau das: einen wiederkehrenden Gefühlsmix von Frust, Hilflosigkeit, Überforderung, Wut und Erschöpfung.

Warum ist das so?

Ein ständiges Ohrgeräusch färbt den Alltag ein – vor allem zu Beginn oder in intensiveren Phasen:

  • Der Tinnitus bestimmt Gedanken, Stimmung, Schlaf und Energie.
  • Der Tinnitus führt dazu, dass Aktivitäten, die früher Freude gemacht haben, wie Sport, Konzerte oder Treffen mit Freund:innen, vermieden werden. Manchmal, weil die Energie fehlt, manchmal aus Angst, der Tinnitus könnte schlimmer werden.
  • Die daraus resultierende Erschöpfung, Anspannung und Isolation verstärken wiederum das Gefühl, gefangen zu sein.

Und weisst du was? Es ist völlig menschlich und logisch, dass es sich so anfühlt.

Ein Teil unseres Gehirns ist darauf programmiert, mögliche Gefahren in den Vordergrund zu rücken, damit wir gut vorbereitet sind und reagieren können. Wenn nun also der Tinnitus als Bedrohung eingestuft wird, schalten Kopf und Körper automatisch in den Alarmmodus.

Die gute Nachricht ist: Du kannst lernen, dein Alarmsystem zu beruhigen und wieder selbst das Steuer in die Hand zu nehmen.

Das Geräusch mag vielleicht bleiben, aber du entscheidest, wie viel Raum es in deinem Leben einnehmen darf. Und das ist der Moment, in dem der Tinnitus seine Macht verliert und du wieder Freiheit, Lebensqualität und Selbstwirksamkeit zurückgewinnst: Du spürst wieder, dass du aktiv etwas tun kannst, statt nur zu ertragen.

Du fragst dich, wie du da hinkommst?

Hier sind drei erste Schritte, die auf dem LEISE-Ansatz basieren und die ich meinen Tinnitus-Intensivcoaching-Klient:innen jeweils zum Einstieg empfehle. Diese Strategien können dir helfen, dich Schritt für Schritt aus dem Gefühl der Ohnmacht zu befreien und wieder mehr Selbstwirksamkeit zu spüren.

Lass uns also gleich mit dem ersten Schritt starten.

 

Schritt 1: Bewusst aus dem Alarmmodus aussteigen

 

Das Ohrgeräusch selbst ist medizinisch gesehen in den allermeisten Fällen nicht gefährlich (Wenn du neu von Tinnitus betroffen bist oder dein Ohrgeräusch sich verändert hat, lass es bitte zunächst bei einer HNO-Ärztin oder einem HNO-Arzt abklären). Aber ein Teil unseres Gehirns interpretiert es oft so – wie ein Feueralarm, der nicht mehr aufhört zu schrillen.

Dieses „Fehlalarm“-Signal aktiviert den Sympathikus, den Teil des autonomen Nervensystems, der unter anderem bei Gefahr für Kampf-oder-Flucht zuständig ist. Die Folge: der Herzschlag erhöht sich, Atmung und Muskelspannung werden angepasst, so dass wir gut für den Umgang mit einer Gefahr vorbereitet sind. Wir wechseln sozusagen in den „Tunnelmodus“ und sind mit Kopf und Körper ganz auf die wahrgenommene Gefahr ausgerichtet.

Wenn du deinen Tinnitus bewusst oder unbewusst als Gefahr siehst, reagiert dein Körper also so, als stünde er einem echten Bedrohungsszenario gegenüber.

Das Problem: Es gibt beim Tinnitus keine „äussere Gefahr“, die abgewehrt werden könnte. Dein Körper und meist auch dein Kopf bleiben aber trotzdem in diesem Alarmzustand.

Die gute Nachricht: Wir können bewusst auf den Parasympathikus zurückgreifen – das ist der Teil des autonomen Nervensystems, der Ruhe, Erholung und Regeneration unterstützt. Und das Schöne dran ist, es ist gratis und jederzeit verfügbar!

Wie das geht? Eigentlich ziemlich „einfach“ …

Zum Beispiel mit:

  • … ein paar bewussten, tiefen Atemzügen
  • … sanfter Bewegung
  • … kurzen Achtsamkeitsmomenten
  • … progressiver Muskelentspannung
  • … oder auch einfach mit einem Hobby, das uns entspannt.

Auch Schlaf, eine ausgewogene, gesunde Ernährung und ein konstruktiver Umgang mit Stress gehören dazu.

Solche kurze, gezielte Übungen und Anpassungen sind wie kleine „Schalter“, die deinem System helfen, wieder ins Gleichgewicht zu kommen.

Probier’s gleich mal aus und nimm ein paar tiefe Atemzüge, lass deine Schultern und auch deinen Kiefer (!) locker hängen, gähne ein paar Mal und schau dich in deiner Umgebung um: was kannst du alles sehen, hören, riechen und spüren?

Das mag simpel klingen, ist aber neuropsychologisch hoch wirksam: Wiederholte kleine Reize trainieren deine „Alarmzentrale“ im Gehirn, den Tinnitus nicht mehr als „lebensbedrohlich“ einzuschätzen. Mit der Zeit schwächt das die Verknüpfung zwischen Tinnitus und Stressreaktion.

Wenn du das übst, wirst du am Anfang vielleicht etwas frustriert sein, weil nicht gleich „etwas passiert“, doch dran bleiben lohnt sich, denn die Gewöhnung an den Tinnitus geschieht mit der Zeit und nicht in einem einzelnen Moment. Und ganz zentral: solange du deine „Fortschritte“ daran festmachst, wie stark du den Tinnitus weiterhin wahrnimmst, wird sich nicht viel ändern.

Warum?

 

Schritt 2: Deinen Tag nicht nach dem Tinnitus richten

 

Ein häufiges Muster, das ich bei Betroffenen beobachte: Der Tinnitus gibt den Ton an.

Heute laut? Termine absagen. Morgen schlimmer? Schonung.

Ein Teil des Gehirns lernt dadurch: „Wenn sich alles an diesem Geräusch misst, muss dieses Geräusch extrem wichtig sein – das heisst: ich muss es unbedingt ständig beobachten.“

Dadurch beginnt ein Teufelskreis: Deine Aufmerksamkeit wird automatisch auf den Tinnitus gezogen, du nimmst ihn als Referenz und gibst ihm dadurch Wichtigkeit. So bleibt er im Aufmerksamkeitsfokus und über-präsent in deinem Alltag.

Wenn aber der Tinnitus vorgibt, ob du etwas tust oder nicht, dann sitzt er am Steuer deines Lebens. Das verstärkt den Eindruck, dass du ausgeliefert bist und selbst keine Kontrolle hast. Du hast die Kontrolle quasi an den Tinnitus abgegeben.

Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, hilft es, den Alltag selbstbestimmt zu gestalten – also: DU bestimmst, unabhängig vom Ohrgeräusch.

Eine sehr hilfreiche Möglichkeit, dies zu tun, ist: dir bewusst Aktivitäten zu suchen, die dir Freude bringen und deinem „Alarmzentrum“ signalisieren: „Es gibt noch mehr als den Tinnitus.“

Versuch’s mal mit diesem einfachen Einstieg:

Plane jeden Morgen mindestens eine Aktivität, die dir Freude macht – egal, wie der Tinnitus gerade ist. Das kann etwas Kleines sein, wie die Nase in den Wind halten, eine Tasse Kaffee auf dem Balkon, ein kurzer Spaziergang oder ein Telefonat mit einem Lieblingsmenschen.

Sag dir dabei bewusst: „Es gibt Wichtigeres als das Geräusch.“

Und für Bonuspunkte: Halte diese Momente fest, damit du sie dir an Tagen, die schwerer sind, wieder in Erinnerung rufen kannst.

Indem du bewusst Aktivitäten planst, die dir Freude machen oder dir wichtig sind, verschiebst du den inneren Fokus. Dadurch lernt dein System langsam wieder: „Es gibt auch anderes, das bedeutsam ist.“ Mit der Zeit schwächt das die Dominanz des Tinnitus.

Neuropsychologisch gesehen bildest oder stärkst du dadurch alternative Pfade im Gehirn. Wiederholung ist dabei entscheidend: Je öfter du positive, selbstbestimmte Erfahrungen machst, desto stabiler werden diese Bahnen, während die Tinnitus- und Alarm-betonten Pfade schwächer werden.

Das bedeutet nicht, dass er sofort verschwindet. Aber er spielt nicht mehr die Hauptrolle, sondern tritt in den Hintergrund, während du wieder die Regie übernimmst.

Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem besseren Umgang mit deinem Tinnitus. Und deswegen schaue ich in der Zusammenarbeit mit Tinnitusbetroffenen immer auch, welche Aktivitäten tatsächlich Energie und „ein gutes Gefühl“ geben, um dann auch gemeinsam zu erarbeiten, wie es auch in schwierigen Phasen gelingt, sich nicht dem Tinnitus unterzuordnen. So gewinnen sie Stück für Stück ihre Selbstbestimmung zurück.

Ok, nun hast du erfahren, wie du deinen Parasympathikus unterstützen und deinen Alltag wieder selbstbestimmter gestalten kannst. Was ist also der dritte Schritt? Und warum?

 

Schritt 3: Kleine Entlastungsmomente bewusst wahrnehmen und geniessen

 

Unsere Gedanken tappen sehr oft in typische Denkfallen, weil sie Abkürzungen nehmen – das ist menschlich und geht uns allen so. Ein typischer Denkfehler ist die „Negativitätsdominanz“ und besteht darin, dass wir das Negative überbewerten. Evolutionär betrachtet, macht das Sinn – Gefahren mussten wir früher genauer analysieren und detaillierter speichern, um zu überleben. Beim Tinnitus führt es aber dazu, dass wir ständig auf das Ohrgeräusch achten und der Tinnitus dadurch übermässig viel Aufmerksamkeit bekommt.

Dementsprechend erinnern sich viele Betroffene primär an die Belastung und die schwierigen Momente, in denen der Tinnitus das Steuer in der Hand hatte. Das verstärkt die erlernte Hilflosigkeit, die Ohnmacht – das Gefühl: „Ich kann sowieso nichts tun.“ Dabei übersehen sie oft, dass es im Laufe des Tages sehr wohl Momente der inneren Ruhe, der Freude oder der Selbstbestimmung gab – nur gehen diese eben im Fokus auf das Geräusch unter.

Das Gegenmittel dazu: deine Selbstwirksamkeit stärken. Das bedeutet, immer wieder wahrzunehmen, dass du Einfluss hast, dass du gestalten und entscheiden kannst. So stärkst du das Vertrauen in deine Fähigkeit, etwas bewirken zu können. Je öfter du diese Beweise für dich sammelst, desto stabiler wird dieses Gefühl.

Dafür eignet sich zum Beispiel ein kleines Abendritual:

Notiere dir jeden Tag mindestens einen Moment (aber lieber drei bis fünf), in dem du dich gut, innerlich ruhig, stark oder handlungsfähig gefühlt hast. Du darfst gerne auch notieren, was dir gut gelungen ist, worauf du stolz bist oder was dir Freude gemacht hat.

Diese Übung richtet deinen Fokus weg vom Tinnitus und hin auf das, was dir gelingt, was DU bewirkst. Mit der Zeit entsteht eine Sammlung an Beweisen für deine Selbstwirksamkeit. Und das gibt dir Vertrauen in dich selbst zurück.

Wie du nach der Lektüre dieser drei Schritte sicherlich bemerkt hast:

Der Weg aus dem Ausgeliefertsein führt nicht über grosse, spektakuläre Erfolge – sondern über viele kleine Schritte. Und genau das sorgt oftmals für Skepsis.

 

Das klingt zu simpel…

 

Vielleicht ist das bei dir jetzt gerade der Fall und du denkst: „Solch simple Übungen können doch bei einem so grossen Problem nichts ausrichten.“

Und ja, dieser Gedanke ist absolut nachvollziehbar.

Es verhält sich hier halt wie bei anderen Lern- und Entwicklungsprozessen auch: es braucht Wiederholungen, Training. Es geht nicht darum, die eine „Supertechnik“ zu finden, sondern darum, deinen Kopf und deinen Körper Schritt für Schritt aus dem Alarmmodus zu holen. Das Einfache, regelmässig getan, ist oft das Wirksamste (und Alltagstauglichste).

 

Vielleicht denkst du dir auch: „Ich habe schon alles probiert, nichts hilft.“

Die damit verbundene Frustration ist absolut nachvollziehbar. Viele meiner Klient:innen haben schon einen langen Weg hinter sich.

Der Unterschied in meinen Coachings: Wir suchen nicht nach noch mehr Methoden, sondern bauen eine tragfähige Struktur, die nicht nur auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basiert sondern auch wirklich zu dir passt – damit du spürbare Entlastung erlebst.

 

Mein LEISE-Ansatz führt zudem dazu, dass du dir mehr Wissen aneignest über dich, wie du funktionierst und auch über deinen Tinnitus. Denn je besser du dich und deinen Tinnitus verstehst, desto bewusster kannst du damit umgehen – du kommst also aus dem reinen (passiven) Reagieren in ein aktives, selbstbestimmtes Handeln. Dadurch entwickelst du für dich einen Kompass im Umgang mit dir und dem Tinnitus, so dass du genau abschätzen kannst, welche Methoden und Strategien warum und wie helfen können.

 

Und falls du dir wünschst: „Ich will den Tinnitus doch einfach weg haben“ – dieser Wunsch ist absolut verständlich.

Wir alle wollen Ungeliebtes am liebsten weg haben, das ist menschlich. Leider gibt es bis jetzt keine Methode, die das Geräusch langfristig verschwinden lässt. Aber: Wir können sehr wohl verändern, wie deine Gedanken und dein Körper darauf reagieren. Das ist der Schlüssel, damit der Tinnitus an Macht verliert, du wieder die Regie über dein Leben übernimmst und Lebensqualität gewinnst.

 

Lass uns als Fazit für heute festhalten …

 

Der Tinnitus muss nicht länger die Hauptrolle in deinem Leben spielen.

Bereits mit diesen drei Schritten kannst du beginnen, aus dem Gefühl der Ohnmacht auszusteigen:

  1. Deinen Sympathikus beruhigen und bewusst aus dem Alarmmodus gehen.
  2. Deinen Tag selbstbestimmt gestalten – unabhängig vom Tinnitus.
  3. Deine Entlastungsmomente, Erfolgserlebnisse oder Glücksmomente sammeln und dich daran erfreuen.

Und das Schöne daran: für diese drei Schritte brauchst du kein kompliziertes Zubehör, sie kosten nichts und sind überall einsetzbar!

Mit diesen kleinen Übungen baust du Schritt für Schritt das Gefühl von Kontrolle und Selbstwirksamkeit wieder auf. Der Tinnitus ist vielleicht nicht verschwunden – aber er hat seine Macht über dich verloren. Statt ausgeliefert zu sein, gewinnst du Handlungsfähigkeit zurück. Und das ist der Moment, in dem wieder mehr Ruhe, Lebensfreude und Normalität möglich werden.

 

Was du als nächstes tun kannst

 

Je nachdem wo du auf deinem Weg im Umgang mit dem Tinnitus bist, gibt es nun verschiedene Möglichkeiten:

  1. Wenn du noch am Anfang stehst oder dir eine gute Ausgangslage verschaffen möchtest, empfehle ich dir als Ergänzung zu den drei hier vorgestellten Schritten das Webinar. Darin erkläre ich dir, wie man sich aus aktueller wissenschaftlicher Sicht das Tinnitusgeschehen erklärt, was den Umgang schwieriger und einfacher machen kann und wie die Zusammenhänge mit deinen Gedanken, Ängsten, Stress etc. aussehen. Ich stelle dir da auch meinen LEISE-Ansatz vor, der dir gleich von Beginn weg Orientierung und Fokussierung bieten kann. Und sowohl im Video wie auch im zugehörigen Handout hat es konkrete Übungsimpulse, so dass du direkt loslegen kannst.
  2. Wenn du intensiver und mit Unterstützung in deine individuelle Situation eintauchen möchtest, ganz unabhängig ob du am Anfang stehst oder den Tinnitus schon lange als Begleiter hast, empfehle ich dir ein Tinnitus-Intensivcoaching. Wir machen gemeinsam da weiter, wo das Webinar aufhört, d.h. wir schauen uns deine spezifische Situation genau an und erarbeiten gemeinsam Strategien und Lösungen, die zu dir passen und dich langfristig unterstützen.

 

Daniela Blaser

Und?

Egal für welchen nächsten Schritt du dich entscheidest: melde dich gerne für ein unverbindliches Kennenlerngespräch, das Webinar oder buche direkt ein Tinnitus-Intensivcoaching.

Gemeinsam entwickeln wir einen Weg, der zu dir passt – damit du dich nicht länger ausgeliefert fühlst, sondern dein Leben wieder selbst bestimmst.